Effektive Mikroorganismen und Wundheilung: Wie probiotische Ansätze die Hautreparatur unterstützen können
Effektive Mikroorganismen (EM) werden zunehmend in der Wundversorgung diskutiert. Dieser Artikel erklärt, was EM sind, welche Wirkmechanismen vermutet werden, welche Evidenz vorliegt und wie EM sicher angewendet werden können — besonders im Vergleich zu konventionellen Wundtherapien.
Was sind "Effektive Mikroorganismen" (EM)?
Der Begriff "Effektive Mikroorganismen" wurde in den 1980er Jahren vom japanischen Agrarwissenschaftler Dr. Teruo Higa geprägt. EM sind Mischkulturen aus nützlichen Mikroorganismen — typischerweise Milchsäurebakterien, Photosynthesebakterien, Hefen und andere fermentative Bakterien. Ursprünglich für Landwirtschaft und Bodenverbesserung entwickelt, werden EM heute auch in der Umweltpflege, Tierhaltung, Kosmetik und vereinzelt in der Haut- und Wundpflege eingesetzt.
Wie könnten EM die Wundheilung beeinflussen?
Mehrere plausible Mechanismen werden diskutiert:
- Modulation des Hautmikrobioms: Nützliche Mikroorganismen können pathogene Keime verdrängen oder in ihrem Wachstum hemmen ("competitive exclusion").
- Reduktion von Biofilm: Bestimmte Mikroorganismen oder deren Metabolite können Biofilme destabilisieren, die häufig chronische Wunden persistent machen.
- Antimikrobielle Metabolite: EM-Stämme produzieren organische Säuren, Enzyme und sekundäre Metabolite, die das Wachstum schädlicher Bakterien hemmen können.
- Immunmodulation: Probiotische Bakterien können über Interaktionen mit Hautzellen lokale Entzündungsreaktionen modulieren und so die Reparatur fördern.
- Feuchthaltung und pH-Stabilisierung: Durch Fermentationsprodukte kann das Wundmilieu günstiger für Heilungsprozesse werden.
Was sagt die Forschung?
Die wissenschaftliche Datenlage zu EM-spezifischen Produkten in der menschlichen Wundversorgung ist derzeit begrenzt. Es gibt vielversprechende experimentelle Studien und tierexperimentelle Daten, die zeigen, dass bestimmte probiotische Stämme die Wundheilung unterstützen können. Übersichtsarbeiten zum Thema "probiotische Mikroorganismen und Wundheilung" beschreiben Mechanismen und erste klinische Ansätze, betonen aber, dass große, randomisierte kontrollierte Studien fehlen.
Für mehr Hintergrundinformationen zu Hautmikrobiom und Wundheilung siehe etwa die Übersicht der Deutschen Apotheker-Zeitung oder populärwissenschaftliche Beiträge der Universitäten, z. B. der Universität Tübingen. Eine laufende Suche nach Studien finden Sie auf PubMed: PubMed: probiotics wound healing.
Praktische Anwendung von EM bei Wunden — worauf achten?
In der Praxis werden EM-Produkte als Lösungen, Sprays oder in getränkten Verbänden angeboten. Wenn EM zur Wundpflege in Erwägung gezogen wird, gelten folgende Grundregeln:
- Nur oberflächliche, saubere und nicht stark kontaminierte Wunden: Kleine Schürfwunden oder oberflächliche Hautabschürfungen sind die typischen Anwendungsfälle. Tiefe, stark blutende, nekrotische oder infizierte Wunden sowie Operationswunden gehören in ärztliche Versorgung.
- Sauberkeit zuerst: Wunde mit sterilem Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung reinigen, Fremdkörper entfernen.
- Richtige Verdünnung: Herstellerangaben beachten. In der Praxis werden EM-Produkte unterschiedlich empfohlen (z. B. 1:10 bis 1:100), oft abhängig vom Produkt. Unverdünnte Anwendung auf offenen Wunden ist umstritten und kann irritieren.
- Getränkte Verbände: Manche Anwender berichten von guter Wirksamkeit mit EM-getränkten Kompressen, die regelmäßig gewechselt werden. Achten Sie auf sterile Materialien und hygienische Handhabung.
- Kontrolle und Dokumentation: Wundverlauf täglich beobachten (Rötung, Schmerz, Schwellung, Eiter, Geruch). Bei Verschlechterung sofort ärztlich abklären.
Sicherheit und Risiken
- Infektionsrisiko bei unsachgemäßer Anwendung: Unsachgemäße Produkte oder kontaminierte Lösungen können selbst Keime einbringen.
- Allergische Reaktionen: Hautreizungen oder Allergien sind möglich — Erstanwendung eher an gesunder Haut testen.
- Nicht bei geschwächtem Immunsystem: Bei immunsupprimierten Personen, Diabetikern mit Wundneigung oder chronischen Ulzera ist besondere Vorsicht geboten.
- Kein Ersatz für ärztliche Behandlung: EM sollten nicht statt ärztlich verordneter Wundversorgung (z. B. chirurgische Säuberung, Antibiotika bei systemischer Infektion) verwendet werden.
EM vs. konventionelle Antiseptika und Antibiotika
Antiseptika (z. B. Octenidin, Chlorhexidin) und Antibiotika haben definierte antimikrobielle Wirkungen und sind in Leitlinien verankert. EM-Ansätze verfolgen eher eine "probiotische" Strategie — Besiedelung mit nützlichen Mikroorganismen statt vollständiger Keimreduktion. Beide Strategien können je nach Wundsituation sinnvoll sein, sollten aber nicht wahllos kombiniert werden: Antiseptika können die eingesetzten beneficialen Mikroorganismen abtöten. Bei ernsthaften oder systemischen Infektionen ist Antibiotikatherapie weiterhin Standard.
Welche Produkte gibt es?
Auf dem Markt finden sich diverse EM-Wundsprays, Lösungen und Pflegeprodukte. Die Qualität variiert stark; wichtig sind nachvollziehbare Inhaltsangaben, Chargenprüfung und Herstelleraussagen zu mikrobieller Zusammensetzung. Seriöse Anbieter geben Anleitung zur Verdünnung und zur Indikation. Beispiele und Produktinfos finden sich in gängigen Suchergebnissen und bei Herstellern, aber immer kritisch prüfen.
Fazit — wann sind EM sinnvoll?
EM bieten einen interessanten, biologischen Ansatz zur Unterstützung der Wundheilung durch Modulation des Mikrobioms und mögliche Biofilm-Effekte. Für kleinere, oberflächliche Wunden und in der Tierpflege liegen zahlreiche Anwenderberichte und einige kleine Studien vor. Für die routinemäßige Anwendung bei Menschen fehlen jedoch belastbare, groß angelegte klinische Studien. Verwenden Sie EM-Produkte nur ergänzend, achten Sie auf Sterilität und Herstellerhinweise, und suchen Sie bei Anzeichen einer Infektion oder bei risikobehafteten Patienten stets ärztliche Hilfe.
Praktische Checkliste
- Nur bei kleinen, oberflächlichen Wunden in Betracht ziehen.
- Wunde zuerst reinigen — dann EM (herstellerkonform) anwenden.
- Auf sterile Verbandsstoffe und hygienische Handhabung achten.
- Wundverlauf täglich prüfen; bei Verschlechterung Arzt aufsuchen.
- Bei Diabetes, Immunsuppression, tiefer oder chirurgischer Wunde nicht ohne ärztliche Absprache anwenden.
Weitere Informationen und wissenschaftliche Studien finden Sie z. B. über die oben genannten Links oder durch eine gezielte Literaturrecherche in medizinischen Datenbanken: PubMed: probiotics & wound healing.
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