Sanft antworten, sicher begleiten: Was Sie zu Demenzkranken sagen können, wenn sie 'heim' wollen
Viele Menschen mit Demenz sagen immer wieder: „Ich will nach Hause.“ Hinter diesem Satz stecken Emotionen, Erinnerungen oder ein konkreter Bedarf. Dieser Artikel gibt hilfreiche, respektvolle und praktische Formulierungen sowie Strategien, wie Sie angemessen reagieren können — ohne zu konfrontieren und mit Blick auf Sicherheit.
Wenn Menschen mit Demenz sagen, sie möchten "heim", klingt das auf den ersten Blick einfach — doch die Bedeutung ist oft vielschichtig. In diesem Artikel erfahren Sie, was man zu Demenzkranken sagen kann, wenn sie Heim wollen, welche Kommunikationsprinzipien helfen, und welche konkreten Wortlaute und Handlungsoptionen sich bewährt haben.
Warum sagen Menschen mit Demenz „Ich will nach Hause“?
- Sehnsucht nach Vertrautem: "Zuhause" steht oft für Geborgenheit, Routinen oder eine liebgewonnene Person.
- Orientierungs- oder Zeitverwirrung: Die Person erinnert sich an frühere Wohnsituationen oder glaubt, es sei Zeit aufzubrechen.
- Unruhe und Aktivitätsbedürfnis: Der Wunsch, etwas zu tun oder eine Aufgabe zu erfüllen.
- Ängstlichkeit oder Überforderung: Zuhause wird als sicherer Ort empfunden.
- Physische Bedürfnisse: Hunger, Durst, Toilette, Schmerzen — die Person drückt es in vertrauter Sprache aus.
Grundprinzipien der Kommunikation
Bevor Sie antworten, erinnern Sie sich an ein paar Grundsätze:
- Validieren statt korrigieren: Leugnen oder mit Fakten argumentieren führt oft zu mehr Stress. Anerkennen Sie das Gefühl.
- Einfach und ruhig sprechen: Kurze Sätze, langsames Tempo, Blickkontakt auf Augenhöhe.
- Nonverbale Signale: Freundliche Mimik, offene Körperhaltung und Berührung (wenn akzeptiert) beruhigen.
- Ursache herausfinden: Frischen Sie Bedürfnisse ab (Hunger, Durst, Schmerzen, Toilette, Müdigkeit).
- Sicherheit zuerst: Wenn Weglaufgefahr besteht, sofort Maßnahmen ergreifen und informieren.
Konkrete Sätze und Formulierungen (Beispiele)
Die folgenden Formulierungen orientieren sich an Validation, Umleitung (Redirection) und beruhigender Zuwendung:
Validation / Gefühle anerkennen
- "Das klingt, als würden Sie wirklich nach Hause wollen. Erzählen Sie mir von Ihrem Zuhause – wie war es dort?"
- "Ich kann gut verstehen, dass Sie sich nach Ihrem alten Zuhause sehnen. Das muss schwer sein."
Umleiten / Aktivieren
- "Wollen wir zusammen ein Fotoalbum ansehen? Vielleicht ist das wie zuhause."
- "Möchten Sie lieber einen Kaffee/Keks/Spaziergang? Das können wir jetzt gemeinsam machen."
Beruhigen & von der Konfrontation absehen
- "Sie sind nicht allein, ich bin bei Ihnen. Möchten Sie, dass wir uns setzen?"
- Statt: "Sie sind doch schon hier" — besser: "Ich bleibe bei Ihnen. Wollen wir zusammen die Nähe genießen?"
Was Sie vermeiden sollten
- Direktes Korrigieren oder Belehren („Du wohnst doch hier!“). Das erzeugt Angst oder Ärger.
- Komplexe Erklärungen oder zu viele Optionen auf einmal.
- Ignorieren der Äußerung — das verstärkt das Gefühl des Nicht-Gesehen-Werdens.
Praktische Strategien bei wiederholtem Ziel "nach Hause"
- Ursachencheck: Schmerzen, Hunger, Durst, Toilettenbedarf oder Medikamentennebenwirkungen ausschließen.
- Rituale anbieten: Feste Tagesstruktur, vertraute Musik, einfache Haushaltsaufgaben imitieren (z. B. Tisch decken).
- Umgebungsgestaltung: Fotos, Lieblingsmöbel, vertraute Gerüche können Orientierung schaffen.
- Sicherheit planen: Bei Weglauftendenzen Alarmpläne, Identifikationsarmbänder und Monitoring überlegen.
Konkrete Beispiele aus dem Alltag
Beispiel 1 — kurzfristige Unruhe: Frau M. sagt: "Ich will nach Hause."
- Antwort: "Ihr Zuhause fehlt Ihnen. Wollen Sie mir zeigen, wo das war?" (Fotoalbum holen oder nach Adressen fragen).
- Wenn sie weiter aufbrechen möchte: "Kommen Sie mit, wir gehen kurz an die frische Luft und schauen, ob wir etwas Schönes finden."
Beispiel 2 — Weglauftendenz bei Herrn K.:
- Sofortiger Sicherheitscheck, Personal informieren, ruhige Ansprache: "Ich passe auf Sie auf. Wir bleiben zusammen."
- Angebot: vertraute Aufgabe geben („Können Sie mir helfen, die Tasche zu halten?“) oder ruhiger Raum mit Erinnerungsstücken.
Wann professionelle Hilfe nötig ist
- Häufige Fluchtversuche oder Weglaufverhalten (Elopement) — Risiko für Sturz oder Unfall.
- Plötzliche Verschlechterung der Orientierung oder neue verwirrende Symptome — ärztliche Abklärung.
- Wenn Angehörige überfordert sind: Gespräch mit Pflegefachkraft, Sozialdienst oder der Deutschen Alzheimer Gesellschaft suchen.
Selbstfürsorge für Angehörige und Pflegende
Der wiederholte Wunsch "nach Hause" ist emotional belastend. Holen Sie sich Unterstützung:
- Führen Sie ein Beobachtungsprotokoll (Wann, Kontext, Auslöser). Das hilft Fachkräften.
- Tauschen Sie sich im Team aus — konsistente Ansprache und Maßnahmen geben Sicherheit.
- Nutzen Sie Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder professionelle Demenzbegleitung.
Weiterführende Links und Angebote
- Informationen zur Kommunikation bei Demenz: Alzheimer Baden-Württemberg
- Tipps zur Übersiedlung und Umgang: Demenzportal
- Methoden wie Validation: Artikel und Fortbildungen beim Demenzjournal
Fazit
Wenn Menschen mit Demenz sagen, sie wollen "heim", ist die stärkste Hilfe meist nicht das Korrigieren, sondern das Erkennen des Gefühls dahinter, das Beruhigen und das Anbieten einer sinnstiftenden Alternative oder Aufgabe. Kurze, einfühlsame Sätze, Sicherheit und das Nachfragen nach physischen Bedürfnissen bringen oft schnelle Entlastung. Wird Weglauftendenz zum Problem, sollte zeitnah fachliche Unterstützung hinzugezogen werden. Mit der richtigen Haltung und guten Formulierungen können Sie Angehörigen und Bewohnern viel Halt geben.